Umfassender Lösungsansatz

Wärme, Strom und Mobilität: Das Projekt „Energiewende Seim“

Wärme, Strom, Mobilität: Das Projekt „Energiewende Seim“ kombiniert die drei Sektoren sinnvoll – und das alles im Einfamilienhaus von Norma und Karlheinz Seim in Icking. Tragende Säulen sind die Kraftwärmekopplung (KWK) für Warmwasser und Strom, Photovoltaik (PV) auf dem Dach, der Stromspeicher im Keller und das E-Auto in der Garage.

Den Anfang nahm das Projekt „Energiewende Seim“, als 2012 die Erneuerung der Heizung anstand. „Das Unglück in Fukushima, der Atomausstieg und zunehmende Umweltbelastungen haben uns darin bestärkt, an diesem Punkt einen Beitrag zur Energiewende zu leisten“, erinnert sich Karlheinz Seim. Jetzt liegen aktuelle Verbrauchsdaten und erste Erfahrungen mit einem Energiespeicher vor. Außerdem arbeitet der Hausherr an einem intelligenten Lademanagement.

Das Projekt Seim basiert auf folgender Idee: Das Erdgas für Heizung und Brauchwasser, der Hausstrom und der Sprit fürs Auto sollten – wo immer möglich – durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Karlheinz Seim formulierte 2012 den Lösungsansatz sehr klar:

 

 

  • Investitionen für den eigenen Bedarf
  • keine umfassende Gebäude-Isolierung wegen guter Bausubstanz/-charakteristik
  • nachhaltige Energieversorgung
    - Wärmeerzeugung mit Erdgas, aber geringerem Verbrauch
    - eigene Stromerzeugung für Haus und E-Mobilität
    - monatliche Strom-Bedarfsdeckung
    - hohe Autarkie
  • Verzicht auf fossile Energien (Strom, Sprit und weniger Gas)
  • Halbierung des CO2–Ausstoßes
  • Reduzierung der Energiekosten

AnschaffungenGrossansicht in neuem Fenster: Funktionsmodell einer autarken Energieversorgung

Nach detaillierten und umfassenden Planungen und Berechnungen des thermischen und elektrischen Energiebedarfs von Haus und E-Auto sowie der wirtschaftlichen und steuerlichen Gegebenheiten haben sich die Seims für folgende Anschaffungen entschieden:

  • KWK mit bis zu 26 kWh thermisch/1 kWh elektrisch und 750 Liter Pufferspeicher
  • PV-Anlage mit 2,9 kWp, begrenzt auf 2,1 kWp Einspeiseleistung (70%)
  • Elektroauto (circa 15.000 km/Jahr)
  • Stromspeicher mit 5 kWh nutzbarer Kapazität
  • Messstellenbetrieb zur Analyse/Optimierung im Bereich Stromverbrauch (in Auftrag)
  • Lademanagement zur Steuerung der E-Auto-Ladezyklen (in Planung)

Funktionen

Die KWK-Anlage versorgt das Haus mit Wärmeenergie für Heizung und Brauchwasser. Zusammen mit der PV-Anlage erzeugt sie übers Jahr den für Haus und Elektroauto benötigten Strom. Erzeugen KWK und PV mehr Strom als Haus und Elektroauto zeitgleich verbrauchen, wird dieser Anteil im Stromspeicher gespeichert bzw., wenn die maximale Ladekapazität erreicht ist, ins öffentliche Stromnetz eingespeist.

Erzeugen KWK und PV weniger oder keinen Strom als zeitgleich Haus und E-Auto benötigen, wird dieser Anteil aus dem Stromspeicher entnommen bzw., wenn die Speicherkapazität aufgebraucht ist, aus dem Stromnetz bezogen.

Wärmeerzeugung

Das über 20 Jahre alte Bestandsgebäude mit gut 150 Quadratmetern Wohnfläche verfügt über eine gute Bausubstanz. Daher verzichteten die Seims auf umfassende Dämmungen bzw. Erneuerungen. Der Wärmebedarf beläuft sich auf etwa 32.000 kWh. Um ihn zu decken, fiel die Entscheidung auf eine erdgasbetriebene, wärmegeführte Kraft–Wärme–Kopplung. Sie bietet zwei Vorteile:

  1. Immer, wenn Wärmebedarf besteht und die KWK-Anlage Wärme erzeugen muss, wird auch Strom produziert.
  2. Der Gasverbrauch reduziert sich um etwa 20 Prozent im Vergleich zur alten Erdgasheizung.

 

Stromerzeugung

Die KWK-Anlage leistet - zusätzlich zur Wärmeerzeugung - mit der Stromerzeugung einen wichtigen Energiebeitrag im Projekt. Bei den Betriebsstunden, die sie im Hause Seim läuft, liefert sie circa 3.700 kWh Strom im Jahr.

Die PV-Anlage ergänzt die Leistungen der KWK. Sie ist so ausgelegt, dass mit zusätzlichen etwa 2.800 kWh der jährliche Strombedarf für Haus und E-Auto ohne große Überkapazitäten zur Verfügung steht.

Über das Jahr gesehen sind KWK und PV daher ein ideales Paar. Sie ergänzen sich hervorragend und erzeugen monatlich zwischen knapp 500 kWh (Sommermonate) und gut 600 kWh (Wintermonate) Strom. Dabei beträgt der Anteil durch KWK in kalten und der PV in warmen Jahreszeiten jeweils bis zu 90 Prozent.

Grossansicht in neuem Fenster: Stromerzeugung

 

Stromverbrauch

Von den erzeugten 6.500 kWh werden im Jahresmittel für Haus und E-Auto circa 5.800 kWh benötigt, circa 700 kWh werden ins Stromnetz eingespeist. Neben den vielen Verbrauchern im Haus ist das E-Auto mit rund 2.500 kWh der größte Einzelverbraucher im Projekt.

Stromverbrauch

 

Elektroauto

Im Januar 2014 wurde das erste E-Auto übernommen und Anfang 2017 gegen eines mit größerem Batteriespeicher und 200 Kilometern Reichweite getauscht. Mit beiden Wagen sind die Seims insgesamt mehr als 52.000 km elektrisch gefahren und sehen sich in ihrer Entscheidung für ein E-Auto bestätigt, weil:

  • es die Anforderungen von Familie Seim für alle Fahrten mit insgesamt mehr als 15.000 Kilometern jährlich erfüllt.
  • Nachhaltigkeit und dezentrale Eigenversorgung erheblich steigen.
  • die Kosten für Sprit und Strom in Höhe der Autarkie entfallen.

 

Direktverbrauch/Autarkie

Aufgrund monatlicher Strombedarfsdeckung und großer E-Auto-Speicherkapazität konnte ohne Stromspeicher eine Autarkie von gut 45 Prozent erreicht werden. Mit dem Stromspeicher (5 kWh) kommen die Vorzüge einer dezentralen Energieversorgung voll zum Tragen. Familie Seim erzeugt jetzt nicht nur rechnerisch genug Strom, er wird bei einem Autarkiegrad von etwa 85 Prozent auch direkt verbraucht. Das öffentliche Stromnetz wird in diesem Umfang entlastet, der Bezug aus dem Netz zur Abdeckung des Bedarfs für Haus und E-Auto sinkt auf ca. 800 kWh.

 

Grossansicht in neuem Fenster: Entwicklung des Autarkiegrades im Projekt

 

Fossile Energien

Fossile Energien kommen dank der Eigenerzeugung von 6.500 kWh Strom und dem Wegfall von 1.300 Litern Benzin nicht mehr zum Einsatz. Bei der Wärmeerzeugung konnte die benötigte Menge Erdgas um etwa 20 Prozent verringert werden.

 

CO2-Emissionen

Laut der Berechnungen von Karlheinz Seim führen Eigenstromerzeugung, E-Mobilität und der geringere Gasverbrauch zu einer Halbierung der betriebsbedingten CO2-Emissionen. Seit 2015 bezieht die Familie Öko-Erdgas mit TÜV-zertifizierten Investitionen in weltweite Klimaschutzprojekte. Der CO2-Ausstoß der erdgasbetriebenen KWK-Anlage wird mithilfe dieser Projekte kompensiert. Mittel- bis langfristig wird der Einsatz von ‚erneuerbarem, grünem Gas‘ (Power to Gas) angestrebt. Fossile Energien wie auch der Ausstoß von CO2 würden dann komplett entfallen.

 

Energiekosten

Entsprechend dem Autarkiegrad entfallen Stromkosten für etwa 5.000 kWh für Haus und E-Auto. Rund 800 kWh sind zur Abdeckung des Bedarfs aus dem eingespeisten Kontingent zu beziehen. Zudem werden die Kosten für circa 1.300 Liter Benzin eingespart. Bei der Erzeugung der Wärmeenergie werden circa 750 Kubikmeter weniger Gas benötigt. Die Energiekosten sinken daher von 5.100 Euro auf etwa 1.920 Euro.

 Grossansicht in neuem Fenster: Energiekosten

Amortisation

Alle Investitionen sind auf den eigenen Bedarf ausgerichtet. Die im Vergleich zu klassischen Produkten entstandenen Mehrkosten abzgl. Vorsteuer und Förderungen betragen für KWK, PV, E-Auto und Stromspeicher ca. 28.184 Euro. Sie amortisieren sich durch erhebliche Energie- und Betriebskosteneinsparungen, Förderungen und Abschreibungen in Höhe von jährlich ca. 3.889 Euro in 7,2 Jahren.

 

Fazit

Das Projekt verdeutlicht, dass sich die aufgezeigten Ergebnisse nur mit einem umfassenden Lösungsansatz erzielen lassen. Dabei können durchaus je nach Energiebedarf andere Produkte, z.B. Brennstoffzellen-KWK, BHKW u.Ä., zum Einsatz kommen. Wesentlich aber ist:

  • Kapazitäten, Leistungen und damit Investitionen auf den eigenen Bedarf auszurichten,
  • übers Jahr den monatlichen Strombedarf mit KWK und PV zu erzeugen und auf diese Weise eine Autarkie von etwa 50 Prozent zu erreichen,
  • ein E-Auto einzuplanen/einzubeziehen und mit selbst erzeugtem Strom zu betreiben,
  • mit kleinem Stromspeicher die Autarkie erheblich auf ca. 85 Prozent zu steigern und
  • mit Lademanagement (in Vorbereitung) für das E-Auto eine Autarkie von über 90 Prozent zu erreichen.

 

Das Projekt Seim auf einen Blick

KWK und PV sind Mitte 2013 in Betrieb gegangen, das Elektroauto ist seit Januar 2014 im Einsatz. Der Stromspeicher komplettiert den Lösungsansatz und ist seit Februar 2017 in Betrieb. Nach drei Jahren ohne und dreieinhalb Jahren mit Stromspeicher gibt es folgende Ergebnisse:

  • Stromerzeugung 6.500 kWh (KWK 3.700 kWh, PV 2.800 kWh)
  • Stromverbrauch 5.800 kWh (Haus 3.300 kWh, E-Auto 2.500 kWh)
  • Autarkie > 85%/ca. 5.000 kWh
  • Benzineinsparung circa 1.300 Liter
  • Gasverbrauch minus 20%
  • fossile Energien erheblich reduziert (Strom, Benzin, Gas)
  • CO2-Emissionen von ca. 13.000 kg auf 6.500 kg halbiert
  • Energiekosten von 5.100 Euro auf rund 1.900 Euro reduziert
  • Amortisation der Mehrkosten in ca. 7,2 Jahren

Alle Vergleiche beziehen sich auf das Jahr 2012 (mit „alten“ Produkten). Alle Werte sind, wenn nicht anders erwähnt, Durchschnittswerte seit Betrieb.