Wie ringt sich eine Gemeinde dazu durch, ein Nahwärme-Projekt umzusetzen?

Nahwärme für Reichersbeuern

Wie ringt sich eine Gemeinde dazu durch, ein Nahwärme-Projekt umzusetzen? Sowohl in Reichersbeuern als auch in Lenggries erübrigt sich diese Frage, denn das Projekt stieß von Anfang an auf große Zustimmung. Strittiger als die Frage nach dem „ob“ war die nach dem „wie“. Die Gemeinde Reichersbeuern entschied sich für die Gründung einer GmbH.

Grossansicht in neuem Fenster: Nahwärme Reichersbeuern 1Anfang 2018 stand in Reichersbeuern fest: Einige kommunale Liegenschaften brauchten neue Heizungen. Bürgermeister Ernst Dieckmann und seine Gemeinderäte stellten bei ihren Überlegungen zur Heizungsthematik die Schlagwörter `regional´ und `CO₂-neutral´ in den Vordergrund. „So sind wir ziemlich schnell bei der Nahwärme und Pellets oder Hackschnitzeln gelandet“, erinnert sich das Ortsoberhaupt.

Die baulichen Voraussetzungen im Ortszentrum sind günstig. Viele kommunale Gebäude stehen relativ nah zusammen. Auch private Häuser und damit mögliche Abnehmer befinden sich in Reichweite. Dieser Umstand legte eine Erweiterung des kommunalen Netzes nahe.

Zunächst gab die Gemeinde bei der EST Ingenieurbüro GmbH eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. Das Miesbacher Unternehmen gab Anfang 2019 grünes Licht und begleitete das Projekt auch weiter bis zur Fertigstellung. Der Gemeinderat favorisierte zumindest für einen möglichen zweiten Schritt eine „große Lösung“ mit Einbeziehung privater Abnehmer. Zunächst aber wurde im Dezember 2018 das Nahwärmenetz für die kommunalen Liegenschaften fertiggestellt.

 

Grossansicht in neuem Fenster: Nahwärme Reichersbeuern 2

Nach dem Vorbild der Gemeinde Weyarn einigte sich der Gemeinderat auf die Gründung der MWB Reichersbeuern GmbH & Co. KG, die das Nahwärmenetz heute betreibt. In dieser Tochtergesellschaft blieben Blockheizkraftwerk und Leitungen zu 100 Prozent in der Hand der Gemeinde. Die Geschäftsführung der GmbH übernahm – ebenfalls wie in Weyarn – die Irschenberger MW Biomasse AG.

Von der Grundschule aus versorgt nun ein 200-kW-Blockheizkraftwerk kommunale Liegenschaften mit umweltfreundlicher Wärmeenergie. Gespeist wird der Kessel aus einem

Pellets-Container, der hinter dem Schulgebäude Platz gefunden hat. Die Erweiterung der Anlage mit einem Hackschnitzelkessel und unter Einbeziehung privater Haushalte ist bereits in der Planung. Bis dahin unterstützen die alten Heizungsanlagen des Schulgebäudes das Nahwärmenetz bei eventuellen Bedarfsspitzen.

Was Immobilienbesitzer die Nahwärme kosten wird? „Preislich sind wir mit Öl konkurrenzfähig“, weiß Ernst Dieckmann, fügt aber hinzu: „Wer nur billige Wärme will, wird eher nicht bei Nahwärme landen. Alleinstellungsmerkmale dieser Heizungsart lauten regional und CO₂-neutral.“

Allerdings sollte sich bei der Rechnung niemand in den reinen Wärmepreis verbeißen, empfiehlt der Bürgermeister. Ein großer Vorteil der Nahwärmeversorgung ist nämlich, dass die einzelnen Gebäude keine eigenen Heizungen mehr haben. Erzeugt wird die Wärme ja zentral im Blockheizkraftwerk. Die Abnehmer brauchen also nur noch Leitungen und Wärmepumpen, um die Heizenergie in Empfang zu nehmen. Das verringert die Wartungskosten deutlich. Immobilienbesitzern empfiehlt Ernst Dieckmann, auch an ihren Energieausweis zu denken: „Da ist die Energieversorgung ja ein wichtiger Faktor.“

 

 

Technische Daten

Brennstoff: aktuell Pellets, unterstützt durch Öl und Gas für Bedarfsspitzen; geplant: Hackschnitzel, unterstützt durch Pellets

Standort: Blockheizkraftwerk in der Grundschule, Lagercontainer auf dem Schulparkplatz

Leistung: 200 kW

Trassenlänge: insgesamt 502 m

Verbrauch: 1000 MWh jährlich (berechnet)

Beheizte Fläche: circa 7670 m² (Grundschule mit Turnhalle und Hausmeisterwohnung, Bauhof, Kindergarten, Altwirt, Raiffeisenbank, Feuerwehr)

Kosten: voraussichtlich 500.000 €, Förderungen des  TfZ (Technologie- und Förderzentrum im Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe) und ein Tilgungszuschuss der KfW entlasten die Gemeindekasse um ca. 100.000 Euro.

Quelle: MW Biomasse AG, EST GmbH